März 2023

Stille Reserve – ein Schatz, den es zu heben gilt

Stille Reserve – ein Schatz, den es zu heben gilt

Zwei gute Nachrichten vorweg. Die Zahl der Erwerbstätigen erreichte Ende 2022 mit rund 45,7 Millionen ein Rekordhoch. [1] Und mit 3,1 Millionen Menschen aus der sogenannten Stillen Reserve gibt es potenziell viele neue Arbeitskräfte zu gewinnen, die sich bislang zumeist im toten Winkel der Recruiting-Maßnahmen befinden. [2]

HR als Enabler – eine Win-Win-Situation

Zur Stillen Reserve zählen Personen, die gerne arbeiten würden, dem Arbeitsmarkt aber nicht kurzfristig zur Verfügung stehen. Vielleicht, weil sie sich der Care-Arbeit widmen, weil sie wegen einer Erkrankung den Anschluss verloren haben oder weil sie aufgrund fehlender Erfolgsaussichten nicht aktiv nach einer Beschäftigung suchen.

Wer hier eine der Kernanforderung im HR-Bereich mitbringt, dürfte im Vorteil sein: Den Menschen als Ganzes zu sehen und damit ein Enabler in der Personalgewinnung zu sein. Klar ist auch, dass diese Aufgabe kein Sprint ist. Es braucht vielmehr eine Strategie, wie diese Menschen erreicht werden können und wie das eigene Unternehmen plant, mit ihnen umzugehen. Der Aufwand sollte sich lohnen, denn ein Großteil der Stillen Reserve verfügt über ein gutes Qualifikationsniveau: 60 Prozent von ihnen haben mindestens eine abgeschlossene Berufsausbildung oder die Hoch- bzw. Fachhochschulreife. [3]

Interesse zeigen und dorthin gehen, wo die Menschen sind

Neben den gängigen Maßnahmen wie gezielten Marketingkampagnen über Social Media oder Online-Jobbörsen geht es darum, gegenseitiges Verständnis und Vertrauen aufzubauen. Wer lange aus der Arbeitswelt war, verfügt höchstwahrscheinlich nicht über das Ego eines umworbenen Hochschulabgängers.

Empfehlungsprogramme : Nutzen Sie das Netzwerk Ihrer Mitarbeiter. Ermutigen Sie dazu, Freunde und Bekannte zu empfehlen. Bei einer interessanten Empfehlung könnten Sie das Engagement mit Incentives belohnen.

An die Quelle gehen : Gerade Fördervereine, die Weiterbildungsmaßnahmen anbieten, sind gut informiert, wer an einer Arbeit interessiert ist. Bei einzelnen Arbeitsagenturen [4] gibt es Beratung für den beruflichen Wiedereinstieg für Personen, die weder bei der Arbeitsagentur noch beim Jobcenter gemeldet sind. Über diese niedrigschwelligen Initiativen könnten z. B. Praktika oder Schnupperwochen angeboten werden. Wenn Unternehmen zeigen, dass sie sich engagieren, spricht sich das schnell herum.

Persönliche Ansprache : Wie vorgehen, wenn Sie Empfehlungen erhalten haben? Jetzt zählt die gezielte Ansprache über persönliche E-Mails oder Anrufe. Im ersten Schritt geht es darum, potenzielle Kandidaten zu informieren und zu motivieren, sich zu bewerben.

Flexible Arbeitsbedingungen : Pünktlicher Dienstschluss, planbare Schichten, Homeoffice-Regelungen, ÖPNV-Erreichbarkeit, Kinderbetreuung können für die Personen entscheidend sein, einen Job anzunehmen. Auch eine geringfügige Beschäftigung kann ein Weg zum Wiedereinstieg sein.

Fort- und Weiterbildungsangebote: Bei Bewerbern, die länger aus dem Job sind, wird bisweilen davon ausgegangen, dass ihnen Wissen fehlt. Bildungsangebote erleichtern die Berufsrückkehr, stärken das Selbstvertrauen und zeigen die Lern- und Arbeitsmotivation.

Bezahlung : Forschungen halten eine starke Entgeltabstufung beim Wiedereinstieg nicht mehr vertretbar und raten dazu, Anreize über eine adäquate Entlohnung zu setzen. [5]

Weniger Bürokratie = mehr Zeit für Personalsuche

In Zeiten, in denen auf 100 Beschäftigte im Schnitt 4,5 offene Stellen kommen, [6] wird die Suche nach Mitarbeitenden immer aufwändiger, denn der Konkurrenzdruck um passendes Personal ist hoch. Laut einer Umfrage der DIHK kann mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen nicht alle offenen Stellen besetzen. [7] Ihre Herausforderungen werden also eher zunehmen. Auf die DIHK-Frage, welche Rahmenbedingungen bei der Fachkräftesicherung helfen würden, nannten 52 Prozent den Bürokratieabbau, denn bei einer Entlastung etwa von Berichts-, Dokumentations- oder Meldepflichten könnte sich Personal intensiver um die eigentlichen betrieblichen Aufgaben kümmern.

Übertragen Sie das ruhig mal auf Ihren eigenen Arbeitsbereich von Entgeltabrechnungen bis Urlaubsverwaltung und berechnen Sie, wie viele Arbeitsstunden allein dadurch von der Suche nach guten Mitarbeitern abgezweigt werden müssen. Da dürfte einiges an Spielraum für Sie drin sein.